Innenstadt verdichten - Mut zur Zukunft

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Innenstadt verdichten – Mut zur Zukunft

„Schwarmstadt“ Heilbronn, BUGA-Begeisterung und BUGA-Erfahrung, wachsende Bildungseinrichtungen, Investitionen in Zukunftstechnologien, Renditeerwartungen beim Wohnungsbau, attraktive Förderprogramme für sozialen Wohnungsbau - das sind die aktuell günstigen Rahmenbedingungen, um sich Gedanken über die Innenstadt und ihre Potentiale zu machen.

Verdichtung von Stadträumen ist viel diskutiert, die Schlagworte heißen Innenentwicklung vor Außenentwicklung, Stärkung der Innenstädte statt neuer Wohngebiete am Rand.

Was kann Verdichtung bedeuten? Mehr Bewohner in der Innenstadt? Mehr Kaufkraft für den innerstädtischen Handel? Mischung von Wohnen, Arbeiten und Kultur? Verringerung von Verkehr und Neuorganisation von ruhendem Verkehr? Aber reicht das? Was erwarten die Bewohner von der Innenstadt? Welche Erfahrungen und Ansprüche aus der Bebauung des „Neckarbogen“ können oder sollen in der Innenstadt gelten?

Ergänzen und für die Zukunft handeln

Die nördliche Kernstadt ist geprägt durch dichte Bebauung mit Gassen und Höfen, hauptsächlich errichtet im Wiederaufbau der fünfziger Jahre. Heute erscheint dieser Bereich wie eine gewachsene Struktur, vermutlich auch mit einer sehr vielfältigen Bewohnerschaft aus schon lange dort Wohnenden, zunehmend auch mit neuen Bewohnern aus dem nahe gelegenen Bildungscampus. Vor 15 Jahren war dieser Bereich das Sorgenkind der Innenstadt. Neue Einrichtungen in der Umgebung geben nun Chancen und können helfen notwendige Veränderungen verträglich zu unterstützen.

Wie soll hier zusätzlicher Raum geschaffen werden?

Wir schlagen vor in diesem Quartier maßvoll gestaltet in die Höhe zu wachsen. Es ist ein Quartierkonzept zu entwerfen und gleichzeitig die energetische Sanierung der Bausubstanz und Schaffung barrierefreier Wohnungen zu fördern. Die Erhöhungen könnten mit hochgedämmten Holzbauten in Vorfertigung errichtet werden und Dachflächen sollten Freiflächen für die Hausgemeinschaften werden. Längstmögliche Nutzungszeit durch hohe Nutzungsflexibilität sowie nachhaltige Materialqualität muss alle Um- und Neubaumaßnahmen kennzeichnen.

So wie im Neckarbogen zuerst die Grün- und Wasserflächen angelegt wurden, müssen Quartierssanierung und Bau von neuem Wohnraum mit spürbaren Umfeldverbesserungen einhergehen. Günstig sind die bereits vorhandenen Freiflächen im Osten und der nahe Neckaruferpark im Westen.

In diesem Management des Wandels ist mit konsequenter Bürgerbeteiligung die behutsame Verdichtung mit Respekt vor der Bewohnerschaft und dem Bestand auszuhandeln. Verdichtung heißt mehr als nur zusätzlichen Wohnraum bauen, es muss auch ein Mehr an Rückzugs- und Erholungsräumen geschaffen werden. Der Blick in die Wiederaufbaupläne und den Masterplan der Stadt Heilbronn zeigen, dass Innenhöfe begrünt gedacht waren, die heute hauptsächlich durch ruhenden Verkehr und Garagen belegt sind.

Daher muss Mobilität muss neu gedacht werden. Quartiersgaragen, Tiefgaragen und Radwege sind länger schon viel diskutierte Maßnahmen um Flächen mit Aufenthaltsqualität im Stadtraum zu schaffen. Neue Gedanken wie „Schwammstadt“ zur längerfristigen Wasserhaltung in der Stadt für die Bewässerung von dringend notwendiger Bepflanzung gewinnen angesichts zunehmend heißerer Sommermonate an Bedeutung für die gesamte Stadt und verstärken den Handlungsdruck.

Aktuell wurde vom Gemeinderat beschlossen den Bereich Turmstraße und Zehntgasse als ein zentrales Element des Masterplans aufzuwerten, ein erster Schritt.

In der Stadt muss neben vielen anderen Lebensformen auch Familienwohnen ein wesentliches Ziel sein. Das bedeutet mehr Raum und hohe Gebäudeeffizienz mit preiswerter Bauweise durch intelligente Planung, scheinbar selbstverständlicher Luxus kann durch zusätzlichen Ausbau erreicht werden. Daneben ist die Flexibilität und Anpassungsfähigkeit für Veränderungen wichtig. Das Tragwerk reduziert sich auf den Kern und die Fassade, Wohnungen können wachsen oder schrumpfen und sich den unterschiedlichen Lebensphasen anpassen. Gemeinschaftsflächen können den einzelnen Grundriss entlasten, für diese Flexibilität ist Management notwendig.

Das könnte bedeuten, dass Wohnhäuser zum Arbeiten und Bürohäuser zum Wohnen geeignet sind. Unabhängig von der Nutzung muss das Gebäude Ausstrahlung haben und sich in den Stadtraum einfügen. Bauqualität ist die beste Nachhaltigkeit.

Mit diesem zusätzlichen Wohnraum kann Wohnungstausch entsprechend dem aktuellen Bedarf organisiert werden, so dass die bestehende Bewohnerstruktur nicht wesentlich verändert wird. Dieser Prozess würde Nachbarschaft unterstützen und Identität stärken. Um eine Gentrifizierung zu vermeiden ist der neue/alte Wohnraum mit einer Sozialquote abzusichern. Dafür ist die Unterstützung der Stadt im Verbund mit den Bewohnern und den Hausbesitzern notwendig, eine Maßnahme, die im schon erwähnten Masterplan der Stadt Heilbronn angekündigt ist.

Diese Aufzählungen machen klar, dass dieser Weg langwierig und mühsam sein wird.

Ziel muss sein, dass jeder Eingriff als Verbesserung wirkt und Impulse gibt.

Teilen und mit Mut öffnen

In der südlichen Innenstadt sehen wir das größte und komplexeste Potential beim Wollhaus.

Wir glauben, dass dort die Erweiterung der öffentlichen Flächen und eine bedeutende Nachverdichtung zwei Seiten derselben Medaille sein können. Wie das?

Das Wollhaus der 70-ger Jahre hat sich städtebaulich am Auto- und Busverkehr orientiert und dementsprechend wurden seine Orientierung und seine Höhenlagen ohne Rücksicht auf die vorhandene Topografie geplant. Das Umfeld musste sich diesem UFO anpassen und die Passagen endeten an einer nicht überquerbaren „Stadtautobahn“ oder zu hoch für die Hohe Straße und der zentrale Eingang für Fußgänger ist zu nieder für die Fleiner Straße. Es gibt Umbauvorschläge, doch bei näherer Betrachtung ist der bauliche Aufwand sehr hoch, der Nutzen gering und das Stadtgefüge bleibt dennoch gestört.

Ein Blick in die alten und neuen Stadtgrundrisse zeigt wie Straßen, Raumkanten und Blickachsen heute verstellt sind. Würde man die Idee der Plätze und Gassen aufgreifen und die Baumassen stadtverträglich neu organisieren, könnten viele Fragen gelöst werden.

Große grüne Plätze mit neuer Aufenthaltsqualität in der Stadt würden neuartige und zusätzliche öffentliche Flächen schaffen, die durch Gassen verbunden sind. Die Fußgängerzone würde ganz selbstverständlich in die Wilhemstraße und bis zur Kreissparkasse führen. Diese wäre endlich in den Stadtgrundriss eingebunden und das Foyer der Pyramide hätte ein angemessenes Gegenüber. Öffentliche Räume bedeuten mehr Lebensqualität, sie sind Orte der Kommunikation und Verständigung – trotz oder gerade wegen der Digitalisierung sind sie eine wesentliche Grundlage des gesellschaftlichen Zusammenlebens in der Stadt.

Die transparenten und hohen Erdgeschossflächen wären flexibler zu organisieren und könnten besser an die aktuellen Nachfragen für vielfältige gewerbliche, gastronomische und kulturelle Flächen mit unterschiedlichsten Größen angepasst werden. Es fände eine Verknüpfung und damit Stärkung der bereits bestehenden umgebenden Gewerbeflächen statt.

In den beiden darüber liegenden Ebenen könnten Arbeitsplätze für Dienstleistung, Praxen etc. geschaffen werden. Ab der 4. Etage würden ca.150 Wohnungen in Holz-Hybridbauweise auf den begrünten Dachflächen entstehen, die mit ihren blühenden Terrassen die Anmut von Penthouse-Wohnungen mit bestem Blick über die Stadt hätten und mit durchschnittlich 70 m² ein sozial reichhaltiges Wohnungsangebot darstellen würden.

Heilbronns Innenstadt lässt sich nachverdichten ohne dass man sich beengt fühlen muss. Eine gute, qualitätvoll gestaltete Dichte ist in Heilbronn nicht das Problem, sondern eine Lösung, das zeigt der Neckarbogen.